Zeitfenster 8 - Die Völkerschlacht bei Leipzig - eine Million Soldaten in Sachsen

Die Aufzeichnungen des Röhrsdorfer Pfarrers Stöckhardt enden mit September 1813. Die enormen Lasten der Einquartierungen bestehen auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist jedoch kein Wort der Klage in all seinen Schriftstücken zu lesen. War es die Treue der Sachsen zum sächsischen König und seinem Herrn, das sich erst in der Völkerschlacht von Napoleon löste oder konnten Worte der Klage nicht niedergeschrieben werden, weil sie als Angriff auf die mit Sachsen verbündeten Franzosen gesehen wurden? Die Antwort bleibt offen.

Jedenfalls wurde die Lage Anfang Oktober immer schwieriger und die Belastungen für die Dörfer immer größer.

Der Druck auf Napoleon verstärkte sich, so musste er die „Elbelinie“ aufgeben. Eine französische Besatzung in der Festung Dresden ließ er zurück. Am 3. Oktober überschritten zuerst die Preußen unter York bei Wartenburg südlich von Wittenberg an der Mündung der Schwarzen Elster die Elbe. Am 4. Oktober ging auch die Nordarmee unter Bernadotte bei Roßlau über die Elbe. Die beiden Armeen, Blücher links und Bernadotte rechts der Zwickauer Mulde, rückten auf Leipzig vor. Die Böhmische- oder Hauptarmee kam von Süden in Richtung Leipzig. Die Situation der drohenden Vereinigung der Verbündeten im Rücken Napoleons veranlasste ihn, am 7. Oktober Dresden zu verlassen. Der sächsische König folgte ihm ähnlich einem Gefangenen unter französischer Bewachung nach Leipzig. Der Weg führte über Wilsdruff an Sora vorbei nach Meißen (auf der heutigen S 177) und er verbrachte die Nacht im Schloss Seerhausen bei Riesa. Am folgenden Tag brach er in Richtung Leipzig auf. Napoleon hatte seine Truppen südlich vor Leipzig gegen die anrückende Böhmische Armee aufgestellt. Das Reitergefecht bei Liebertwolkwitz leitete am 14. Oktober die Völkerschlacht vom 16. bis 19. Oktober ein. Die Völkerschlacht ist eine Fülle von Einzelgefechten. So sei auch der 16. Oktober bei Wachau oder Möckern genannt. Am 17. Oktober versuchte Napoleon seinem Schwiegervater, Kaiser Franz von Österreich, ein Friedensangebot zu unterbreiten, welches abgelehnt wurde. Das vierte Heer, die sogenannte russische Reservearmee, schloss den Halbkreis der Verbündeten östlich um Leipzig. Über 250 000 Verbündete standen 160 000 französischen Soldaten gegenüber. Am 18. Oktober tobte eine über 9stündige Schlacht. Sie endete mit dem vollständigen Sieg der Verbündeten. Am 19. Oktober wurde Leipzig erstürmt. Napoleon und die französischen Truppen flohen mit großen Verlusten, der sächsische König wurde gefangen genommen.

Das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung in den Dörfern um Leipzig und das tagelange ja wochenlange Siechen und Sterben der Verwundeten beider Seiten ist in Worten nicht zu fassen. Einzelberichte von Zeitzeugen in zahlreichen Veröffentlichungen geben darüber einen Einblick. In den Dörfern im Meißner Raum kam es im September und Oktober zu verstärkten Plünderungen und Exzessen durch die Franzosen. Der gedruckte Tagesbefehl vom 1. Oktober 1813 des kommandierenden französischen Generals Graf Souham, der im Original im Röhrsdorfer Pfarrarchiv liegt, verurteilte aufs Schärfste die Ausschreitungen und Auswüchse der französischen Truppen und versuchte durch harte Strafen die Ordnung wieder herzustellen (Verurteilung zum Tod innerhalb von 24 Stunden). Die nachrückenden Kosaken plünderten und raubten im für sie feindlichen Sachsen. Etwa 1 Million Soldaten waren im Herbst 1813 in Sachsen unterwegs. Trotz des Rückzugs der Franzosen aus unserer Region waren überall noch Verwundete zurückgelassen worden. Unter den verwundeten Soldaten grassierte Wund- und Nervenfieber. Von Mitte Oktober bis weit in das Jahr 1814 hinein wütete die zumeist tödliche Typhusepedemie (Nervenfieber) und raffte ganze Familien dahin. In den Orten Gruben, Bergwerk und Reppina war es besonders dramatisch. 1813 starben im Kirchspiel Naustadt 114 Personen darunter 42 an Nervenfieber (die Sterberate in den Jahren davor und danach liegt bei etwas über 40 Personen). Meist starben die Erwachsenen, so dass viele Kinder als Waisen zurück blieben. Im Kirchenbuch steht in der letzten Spalte die Zahl der hinterlassenen Kinder mit der Bemerkung „unversorgt“. Kinder, die beide Eltern verloren hatten, mussten zur Versorgung im Dorf untergebracht werden, berichtet der damalige Pfarrer Fritzsche.