Zeitfenster 7 - Übergriffe, Schikanen und Plünderungen

Die Situation im September 1813 war von der Bemühung Napoleons bestimmt, die Elbelinie mit allen Mitteln zu halten. Sein Hauptquartier hatte er bis zum 7. Oktober in Dresden.
Die Verbündeten verwickelten Napoleon in der Oberlausitz und im Osterzgebirge in mehrere Gefechte. Der Druck auf den von Napoleon besetzten Dresdner Raum wurde durch die schlesische Armee unter Blücher und die Hauptarmee unter Schwarzenberg ständig verstärkt. Napoleon versuchte in dieser Zeit, die drei Armeen der Verbündeten einzeln zu schlagen. Diese zogen sich jedoch immer wieder zurück und verhinderten somit einen Sieg Napoleons.
Napoleon selbst war im September 1813 meist in Dresden und bei den Gefechten im Umkreis von Dresden. Gefechte fanden statt: am 4. September bei Hochkirch, 5. September bei Reichenbach, 6. September bei Berggießhübel, zwischen 5. und 20. September mehrere Gefechte mit der Hauptarmee im Bereich zwischen Pirna und Teplitz; am 14. September nimmt König von Neapel Murat Quartier in Großenhain; 22. September Gefecht bei Bischofswerda, 29. September bei Meißen. Am 23. September geht das erste sächsische Regiment zu den Schweden (der Nordarmee) über. Die Situation für die Dörfer um Dresden war in dieser Zeit von Übergriffen, Schikanen und Plünderungen durch die französischen Truppenteile geprägt.
Dieses liest man auch in den Aufzeichnungen von Pfarrer Stöckhardt, der darüber schreibt, dass die Trains (Soldaten der Transport- und Nachschubkompanien) und die Sauve-Gardisten (Schutzgarde) Viehfutter und Nahrungsmittel in großen Mengen forderten und beschlagnahmten. Das Wort Fourage bedeutet Viehfutter, wurde aber im soldatischen Sprachgebrauch auch für Lebensmittel und Plünderungen allgemein benutzt.

Pfarrer Stöckhardt berichtet über die Ereignisse im September aus Röhrsdorf folgendes:

3. bis 6. September: „Es erfolgten alltägliche Besuche, Lieferungen, Fouragirungen in und aus dem Meissner Lager. Desgleichen kamen auch die Leute des Obersten Lankywitz zum öftern auf die Pfarre.“

7. September: „Zwey Stabsofficiere mit Bedienten und Pferden, wovon jedoch nur der Major hier blieb. Ein wahrer Dictator von Ansehen unter seinen Leuten, eben so unter uns. Im Üebrigen sehr -interessiert- für unsere Kirche. Er freute sich ihres schönen Anblicks, und bedauerte ihre Verwüstung und Schändung durch die 150 Gefangenen, welche darin eingesperrt werden sollten. Nur einer bitterlichen Vorstellung, dass er als jetziger Gouverneur von Roehrsdorf das leicht abändern könnte, bedurfte es, und die Kirche blieb verschont.“ Es ist nicht bekannt, dass die Kirchen in unseren Gemeinden als Gefangenenlager dienten.

8. bis 9. September: „Ein Husarenrittmeister mit 2 Gemeinen und 4 Pferden. Ein theures Quartier, besonders für den Pachter, wegen der unverschämten Leckerhaftigkeit der Domestiquen (Diener), die durchaus 30 Eyer zu 2 Mahlzeiten haben mussten, und von mir zusamt dem Herrn, schlechterdings auch Hafer mit auf den March nahmen.“

12. bis 29. September: „… hörte das tagtägliche Fouragiren, Liefern, mitunter auch Nehmen, gar nicht auf. Während der Zeit hatten wir auch ein Mal ordentliche Einquartierung, nämlich den Westphälschen Hauptmann Jung mit 1 Gemeinen, ohne Pferde. Gutmüthige Menschen! Der Hauptmann, ein Pfarrssohn bey Marburg, …, rauchte des Abends und Morgens im Bette Tabac, und hatte gewaltigen Hunger und Durst. Das war eins der wenigen Quartiere, wo ich ungestört schlafen konnte die ganze Nacht bis morgens um 6 Uhr.“

18. September: „Zu mittag kamen 300 Fourageurs (wörtliche Bedeutung Futter- und Lebensmittelsammler, Furier im militär. Bereich für die Versorgung zuständige Offiziere und Mannschaften) ins Dorf. 2 Capit. von den Trains der Französischen und Italienischen Garde trabten den Kirchberg herauf mit 5 Mann zu Pferde und einem leeren Spannwagen, der hier geladen werden sollte. Durch zuvorkommende Darreichung von Wein, Caffe` und 3 Viertel Hafer (ungefähr 50 kg) ward das Beladen des leeren Wagens abgewandt.

Erste Sächsische Dragoner, für welche die Pfarre eine Fuhre nach Burgstädt (bei Mittweida) that, zu Mittage 30 Trains ins Dorf, dann 3 die auf der Pfarre fouragierten. Nachmittags 4 andere von 198, die ins Dorf kamen. Der Pachter gab Fourage von Heu, Stroh, wir Hafer 6 Metzen (1 Metze ungefähr 4 kg). Nichts ging über den Hunger von Menschen und Pferden. Alles kam die Tage von Dresden und drüber her.“

Am 20. September berichtet er, dass infolge größter Eile die Offiziere nicht warten konnten und halbgahres Rindfleisch aßen und Brot und Hafer in großen Mengen mitnahmen. Außerdem steht in einer Nebenbemerkung folgendes: „In diesem Monat gaben wir zum öftern den Sauvegardisten und den Leuten des Obersten Lancywitz eine bouteille Wein zu trinken, damit wir sie zu schneller Hilfe bereit hätten.“

22. September: „Dem Sächsischen Capit. Koekeritz 3 Metzen Hafer und 4 Gebund Heu, weil er uns eine Sauvegarde gegeben hatte.“

In dieser gesamten Zeit, seit der Einrichtung des „Fort Reppine“ (siehe Zeitfenster 4/ Juli 1813) bis Ende September, wurden wöchentlich 8 Kannen (1 Kanne 0,93 Liter) Wein für die Elbbesatzung in Reppina geliefert. Anfang Oktober wurde die Lieferung sogar verdoppelt. Dafür wurde das Pfarrgut von der Ablieferung einer Kuh pro Hufe an die Militärverwaltung der Franzosen befreit.

In den Aufzeichnungen des Naustädter Pfarrers lesen wir, dass die Offiziere aus dem Lager bei Siebeneichen täglich ins Pfarrhaus kamen, um zu speisen. Am 9. September war ein Colonel Baron de Salis von der Kaisergarde 1 Capitain, 6 Gemein und 4 Pferde einquartiert. An diesem Tage waren in Gruben 1366 Mann, 218 Pferde und 46 Vorspannpferde einquartiert und zu versorgen. Es ist kaum vorstellbar, welche Belastung die Einquartierung für die kleinen Häusler, Handwerker und Grubenarbeiter brachte. Beim Abmarsch wurde meist aus dem Quartier noch Frühstück, Brot, Wurst, Fleisch und Wein mitgenommen. Die Bediensteten nahmen wenigstens einen Zentner Heu für jedes Pferd mit. Außerdem berichten beide Pfarrer von vielen Gespannfuhren, die sie für den Nachschub leisten mussten.