Zeitfenster 6 - 26./27. August 1813 - Napoleons letzter Sieg

Wie angespannt die Situation nach dem Sieg der Preußen am 23. August bei Großbeeren war, kann man den Beschreibungen von Pfarrer Stöckhardt entnehmen. Röhrsdorfer Hirten lösten in der Nacht vom 24. zum 25. August blinden Alarm aus, da man sie für Kosaken hielt. Am 26. August wird Mcdonald in der Schlacht an der Katzbach durch Blücher geschlagen. Diese beiden Siege der Verbündeten leiteten das Ende der napoleonischen Ära ein. Die Schlacht bei Dresden stand unmittelbar bevor. Ebenso am 29. und 30. August die Schlacht bei Kulm und Nollendorf unweit von Teplice. Ende August scheint auch die Verpflegung knapp geworden zu sein.
 
Stöckhardt berichtet von den Einquartierungen im Pfarrhaus 1813 folgendes:

17. August: „Der Capitaine Dardaut mit seinen 2 Lieutenants, wovon aber der Eine nachher weitere Ordre erhielt, und 2 Leuten vom 85sten Linien-Infant.-Regim. des Vandammeschen Corps. Ein kostbares Quartier! Schon der blose Anblick des wohlgemästeten Capit. liess mich viel fürchten für Küch´ und Keller: Seine Rede bestätigte es gleich drauf, denn da hiess es: „Morgen auf den Marsch müssen wir haben 2 gebratene Hüner, 12 harte Eyer, 2 bouteillen Wein, 1 Liqueur, 2 grosse Kannen Caffe`, hören Sie? viel Caffe`, viel Zucker, geröstete Semmel pp. So schrie er mirs kommandierend zu auf dem Kirchhofe, nachdem er 5 Minuten zuvor beym Herumführen in der Kirche der artigste Mann gewesen. Die Andern lachten, er (aber mahm`s übel) lief auf den Hof, liess einsperren den Bauer Bruchels (wahrscheinlich ist Bruchholz gemeint) mit seinen Pferden, drohte mir, das ich mit Pferden und Kühen dafür fahren müsste, im Fall ich ihn entwischen liesse, schickte seine Leute in die Küche, um selbst zu kochen pp. Diese forderten gleich 2 Kannen Wein zum Essen. Schnell eilt` ich nun mit 2 bouteillen rothen Constappeler 12er (Jahrgang 1812) hinauf, … Den Caffe` ass er mit Löffeln aus einer Suppenschüssel, worin eine Menge gerösteter Semmel und Brod war.

18. August: „Ganz verändert fand ich diesen Mann, als er den folgenden Tag Abends von Dresden zurück kam. Da fragte er, noch auf dem Pferde sitzend, erst höflich nach der Erlaubnis, absteigen zu dürfen. Er war weit mässiger in Essen und Trinken.

20. August: „Ein ganz anderer Mann dagegen war der aus Sagan (Schlesien) kommende Cuirassier-Capitaine Lariviere vom 2ten Regiment, der vom 20sten bis 23. hier blieb. Ein wahrer Coloss. Schrecklich klang in seinem Munde die Drohung: „Wie freu ich mich auf Preussen!

24. August: „Eben so waren die den 24sten eingerückten 2 Stabs- und 2 anderen Officiere von der Ehrengarde, recht gute und genügsame, aber ausserordentlich verhungerte Menschen. Eigentlich sollten wir auf die Pfarre, so war es vom Bureau ausgeschrieben, nur den Oberstlieutenant Defaix mit einem Officier, Domestiquen (Dienern) und Pferden ins Quartier erhalten. Allein durch ein Versehen bekamen wir auch noch dazu den auf das Schloss nach Taubenheim bestimmten Obersten Grafen Bange mit seinem Adjutant Major und ganzen suite (d.h. mit allem, was dazu gehört). Hätte das ganze Heer von Pferden Hafer kriegen müssen, so wäre es an diesem und folgenden Tage sicher geschehen gewesen um unsern ganzen Hafer. Ein kleiner glücklicher Umstand war Ursach. dass auch nicht ein Körngen gebraucht wurde. Ich empfing sie mit den Worten: „Seyn Sie mir schönstens willkommen, meinen Herren Stabsofficiere von der so berühmten Ehren-Garde, von der ich seit 14 Tagen so viel ausserordentliches gelesen habe.“ Oberst: „Das soll mich sehr freuen, wenn Sie von uns was Gutes gehört haben.“ Ich: Zum Beyspiel von dem prächtigen Anblick am 26. Juli 1813 der Ehren-Garde in Maynz bey der Zusammenkunft Napoleon mit der Kayserin Marie Louise, wo diese gesagt hat: was prächtigeres kann man nicht sehen, und Napolen geantwortet: sie werden auch eben so brav seyn, weil sie die edelste Blüthe Frankreichs sind usw.

Oberst zu den anderen: Ist das nicht erstaunlich, hier in diesem Winkel von Sachsen so etwas zu hören, was man in Paris selbst nicht so umständlich weiss. Mein wertester Herr Pastor, ich umarme Sie 100mal. Ich: Sie haben zunächst um die Kayserin gestanden, in dem Kutschenschlage hat sie sich noch einmal nach Ihnen umgewandt usw. Oberst: Mein Gott, das war ich! Theuerster Herr Pastor, lassen Sie sich erzählen pp. Ich: Erlauben Sie erst, dass ich Ihren Pferden einigen bouteillen Wein zur Stärkung hintrage. Einige lachend, Andere verwundert: was? Wein? Ich: ja! Wein! zur Stärkung, weil ich keinen Hafer habe. So unmöglich das Anfangs Allen schien, dass ihre Pferde ohne Hafer seyn könnten, so waren sie doch in zu günstiger Stimmung gegen mich, um darauf zu bestehen. Kurz, ihre Pferde frassen Heu wie der Behemoth (Teufel).

Um Mitternacht erhob sich ein gräulicher Lerm im Dorfe, es trompetete und schoss überall, alles sprengte fort, um die vermeintlichen Kosacken aufzusuchen. Nach einer Stunde kehrten sie zurück mit 6 Gefangenen. Bey angestellter Untersuchung fand sich aber, dass das nicht Kosacken, sondern Roersdorfer Hirten waren, die eine Heerde französisches Vieh gehütet und ein Feuer dabei zu ihrer Erwärmung gemacht hatten. Die ausgerittenen Patrouillen halten das für ein Cosackenwachtfeuer, schreien sie an: qui vive? (Wer da?) Die Hirten fliehen erschrocken nach dem Dorfe zu und schreien: Cosacken! pp. Kurz alles ging gut ab, gab was zu lachen.“

30. August: „2 Cavallerie-Officiere, ein Bayerscher Ober- und 1 Würtenberger Unter-Lieutenant mit 2 Domestiquen und 4 Pferden und 2 Dresdener Damens (Huren). Sie kamen Vormittags um 11 und gingen Nachmittags um 4 Uhr. Das kürzeste aber theuerste Quartier: denn sie verzehrten in diesen 5 Stunden gewis 5 Thaler, weil Doctor und Wachtmeister mit von der Tischgesellschaft, alle aber sehr verhungert waren, und Menschen und Vieh Provisionen mitnahmen ins Lager nach Meissen.“

In dieser Zeit waren im Pfarrhaus in Naustadt z. B. am 23. August 2 Collonels von der Kaiserlichen Ehrengarde mit 3 Bediensteten 6 Gemeinen und 20 Pferden einquartiert. Auch an den anderen Tagen waren meist Offiziere im Pfarrhaus mit ihrem Tross. Diese mussten täglich versorgt werden.

In der Schlacht bei Dresden am 26./27. August 1813 errang Napoleon seinen letzten Sieg. Das Moreau-Denkmal in Räcknitz erinnert an dieses Gefecht mit 15.000 Toten, 15.000 Verwundeten und über 20.000 Kriegsgefangenen Preußen, Österreichern und Russen. So wurden z. B. am 2. September 2 verwundete österreichische Soldaten im Pfarrhaus Röhrsdorf „gespeisst, getränkt, halb beschuet und bekleidet.“ General Moerau, ein Kritiker Napoleons, kämpfte auf Seiten der Verbündeten. In o.g. Schlacht wurde er auf der Räcknitzhöhe von einer französischen Kanonenkugel schwer verwundet. Er verlor beide Beine und starb am 2. September. Der russische Kaiser Alexander I. ließ ihn in St. Petersburg bestatten.