Zeitfenster 17 - Fortsetzung Zeitfenster 16
Fortsetzung von Zeitfenster 16:
„Lebenslauf der Luitgarde Prinzessin Heinrich XV. Reuß j. L. geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode“
Aber die junge Gräfin sollte nicht daheim bleiben. Seit alter Zeit stand dem Hause Stolberg das Haus Reuß [14] nahe, und so kam es denn, dass der junge Prinz Heinrich XV. Reuß j.L. am 2. September 1863 um die Hand der Gräfin Luitgarde anhielt. Derselbe, am 5. Juli 1834 geboren und seit 1858 Besitzer des Rittergutes Klipphausen [15] bei Wilsdruff im Königreich Sachsen, war mit seiner geliebten Braut in allen inneren Fragen durchaus eines Sinnes, und so versprach die am 26. November 1863 in der eben erst neu erbauten Kirche zu Jannowitz als erste geschlossene Ehe ein echtes Lebensglück zu werden und war es auch, so lange sie währen durfte. Der Trautag freilich ward gleich zu einem rechten Schmerzenstag, denn am Abend bei der Festlichkeit verbrannte [16] sich die junge Schwester Gräfin Magdalene so schwer, dass sie bald darauf starb, und auch der Vater, der retten wollte, erhielt solche Brandwunden, dass er lange in Lebensgefahr geschwebt hat.
Beim Einzug in Klipphausen im Dezember 1863 wurde das junge Paar mit großem Jubel von den Gemeinden Klipphausen und Röhrsdorf empfangen, und das alte Schloß ward zu einer Stätte neuen Lebens, zumal, als Gott der Herr der jungen Prinzessin bald ihre vier geliebten Töchter die Prinzessinnen Margarete, Auguste, Gertrud und Anna Marie [17] schenkte, und so ein inniges Familienleben entstand. Der hohe Gemahl widmete sich außer seinen nächsten Aufgaben auch als Kommendator [18] der Genossenschaft des Johanniterordens im Königreich Sachsen im großem Eifer diesem segenschaffenden Beruf, war 1866 auf den Schlachtfeldern [19] tätig, geleitete Verwundete oft zu Bahn oder per Schiff nach Dresden, und seine mitarbeitende Gattin ließ es sich nicht nehmen, auch ihr Heim in ein Lazarett umzuwandeln, das sie unter die Pflege ihres Hausarztes Dr. Fiedler in Wilsdruff stellte.
In diesen Jahren hat Klipphausen auch sonst viele Gäste beherbergt; die Verwandten aber in Gauernitz, Prinz Ernst von Schönburg-Wernigerode [20] vertraten dem Hause in einer in Freud und Leid festhaltenden Freundschaft nahe.
Zur Freude gestellte sich freilich bald schweres Leid. Im Winter 1868 wurde bei dem Prinzen ein ernstes Lungenleiden (TBC) festgestellt und der Kranke ward von den Ärzten unverzüglich nach Mentone in Südfrankreich geschickt, wohin ihm seine Gemahlin folgte, nachdem sie ihre Kinder ihrer getreuen Schwester Gräfin Marianne in Arnsburg übergeben hatte. Die erhoffte Besserung konnte leider nicht erreicht werden, und so ward denn 1869, diesmal in Begleitung der beiden ältesten Töchter, Meran aufgesucht. Aber was wurde das für ein Weihnachten! Am 23. Dezember 1869 rief Gott den geliebten Kranken heim [21] und die Mutter stand nun fürderhin mit ihren Kindern allein da.
Zur Art der Veröffentlichung siehe Amtsblatt 05/2017
Quelle: Archiv der St.-Bartholomäus Kirchgemeinde Röhrsdorf
Christoph Rechenberg
[14] Reuß jüngere Linie Bad Köstritz)
[15] seit 1794 durch Erbfolge nach dem Tod des Geheimen Rat Maximilian Robert Freiherr von Fletcher, der als letzter in der Patronatgruft der Kirche zu Röhrsdorf bestattet worden ist, kam das Schloss in Besitz der Familie Reuß
[16] das Kleid fing an einer Kerze Feuer
[17] Die vier Töchter sind in Röhrsdorf am Taufengel getauft worden. Sie hatten meist mehr als 15 Paten darunter viele Personen des Hochadels. Bei den Taufen waren nie alle Paten anwesend, es war üblich, dass abwesende Paten sich vertreten ließen. Die Taufeinträge sind in den Kirchenbüchern der Kirchgemeinde Röhrsdorf nachweisbar.
[18] An der Spitze der nach Ländern und Regionen eingeteilten Genossenschaften der Johanniter steht der regierende Kommendator, ein Ordensritter, der vom Herrenmeister direkt eingesetzt wurde.
[19] „Deutscher Krieg“ - Entscheidungsschlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866.
Sachsen kämpfte in diesem Krieg auf der Seite Österreichs. Über 47 000 Verwundete und 8.000 Gefallene waren die furchtbare Bilanz dieser einen Schlacht.
Preußens Armee, unter der Führung von König Wilhelm I. dem späteren Kaiser Wilhelm I. und der militärischen Befehlsgewalt von Generalfeldmarschall Graf von Moltke mit den modernen Zündnadelgewehren ausgestattet, war den Österreichern militärische überlegen. Dieser Krieg war der letzte „Bruderkrieg“ vor Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871.
[20] verheiratet mit Helene Gräfin zu Stolberg-Wernigerode aus Peterswaldau (Eulengebirge in Schlesien) und großväterlicher Seites mit der Familie Reuß j.L. Köstritz verwandt. Der Prinz verstarb 1915, hinterließ keine Erben. Sein Sohn Prinz Friedrich verstarb bereits 1910.
[21] Bestattet in Stonsdorf dem Stammsitz der Familie in Niederschlesien. Der Ort ist wegen des Stonsdorfer Kräuterlikörs, der seit 1810 dort hergestellt wurde, bekannt geworden.