Zeitfenster 22 - Bronzezeit Archäologie

Nun geht es wirklich einmal weit zurück! Die Bronzezeit ist schon lange her, man weiß  aus dem Geschichtsunterricht, dass es so etwas gab. Sie ist aber auch so nah bei uns, dass man nur staunen kann, was unter Acker und Wiesen bewahrt wurde. Im Zusammenhang mit der EUGAL-Trasse sind die Archäologen bei uns fündig geworden. Leider sind so einem großen Bau auch archäologische Bodendenkmale, bekannte und unbekannte, im Weg und müssen deshalb vorsichtig unter wissenschaftlichen Kriterien geborgen werden.  Alle noch so kleinste Fundstücke werden geborgen und zur weiteren Erforschung in das Landesamt für Archäologie gebracht.

Bedeutsam sind die Funde aus der Zeit um etwa 1.400 – 1.200 Jahre v. Christus, weil sie die bisher  südlichsten bekannten Fundorte aus dieser Zeit auf den linkselbischen Hochflächen sind.

In Röhrsdorf wurden auf der Fläche zwischen den beiden Straßen, Alte Röhrsdorfer und Neue Röhrsdorfer Straße, Spuren einer dörflichen Besiedlung gefunden. Das entdeckt freilich nur das geschulte Auge.  Was dann aber zum Vorschein kam, ist beeindruckend. Ein verfüllter Getreidespeicher in der Größe von etwa zwei alten Waschkesseln. So ein Speicher ist ein Loch in der Erde, eine Grube also, die mit Getreide gefüllt gewesen ist. Der Speicher diente zur sicheren Aufbewahrung für Nährmittel und Saatgetreide und zum Schutz vor Schädlingen oder auch Dieben.

Unmittelbar daneben wurden zwei Keramikbrennöfen sichtbar, davor die Fläche war der Werkplatz. Die Brennöfen waren mit zwei Kammern gebaut worden. Diese ist auf dem Foto noch gut erkennbar.

Also existiert das „Gewerbegebiet Röhrsdorf“  mit Unterbrechungen schon über 3.400 Jahre!

Schon beim Bau der WIN-Gastrasse 2011 wurden in diesem Bereich bronzezeitliche Siedlungsspuren gefunden.

Völlig unerwartet war die Entdeckung eines größeren Gräberfeldes im Bereich südlich der Pegenauer bis zum Kreuzungsbereich der Gävernitze in Naustadt. Untersucht und gegraben wurde nur auf dem Bearbeitungsstreifen der EUGAL. Allein hier wurden über 100 Urnenbestattungen gefunden. Im Bereich unter dem Acker war deutlich weniger Substanz als im Bereich der extensiv bewirtschafteten Weide zu finden. Die Bestattungen lagen direkt unter der Mutterbodenschicht. Die Urnen waren also mit den damals vorhandenen Werkzeugen nicht sehr tief in den Mineralboden eingelassen worden. Außerdem kann man bei einer Zeit von 3.000 Jahren mit etwa 20cm Erosion rechnen.  Die Urnen wurden auf einen flachen Sockelstein gestellt. Um die eigentliche Urne  herum legte man weitere Tongefäße als Grabbeigaben. Ein guterhaltener Tontopf mit Henkel wurde so beigelegt, dass die Öffnung nach unten zeigt. Es ging also hier nicht um sogenannte „Proviantbeigaben“ für die Fahrt in das Totenreich sondern um andere symbolische und kultische Riten.

Desweitern wurden um die Urnen und auch auf die Urnen kleinere Steine gelegt. Diese sind nicht  aus dem unmittelbaren Umfeld entnommen worden sondern stammen wohl woanders her. Waren es die „Blumen und Kränze“ der damaligen Bestattungskultur? Jedenfalls lässt sich diese Form der Bestattung bei all den Funden nachweisen. Es bestand also an diesem Ort eine kultische geordnete Besetzungstradition über einen Zeitraum von über 200 Jahren. Das Alter lässt sich an Hand der Keramik bestimmen. Die Tongefäße gehören zu der Zeit der sogenannten Lausitzer Keramikkultur.

Wie viele bronzezeitliche Dorfgemeinschaften auf diesem Urnenfeld ihre Toten bestattet haben, ist nicht bekannt. Gehörte der Bestattungsplatz bei Naustadt zu der etwa 1 km entfernten Siedlung im Bereich des Quellgebietes vom Regenbach oberhalb vom heutigen Röhrsdorf? Oder ist unter Naustadt noch ein Vorgängerdorf zu vermuten? All das wird wohl ein Geheimnis der Geschichte bleiben.

Vielen Dank den Mitarbeitern des Landesamtes für Archäologie, die auf die interessierten Fragen der Besucher der Grabungsareale  bereitwillig Antworten und Erklärungen gaben. Viele Naustädter und Röhrsdorfer haben regen Anteil genommen und mit Interesse in längst vergangene Zeiten zurückgeschaut.

Christoph Rechenberg Pfarrer, im November 2018