Ein besonderer Lutherbaum

Zum Reformationsjubiläumsjahr soll an einen besonderen Lutherbaum erinnert werden.

Im Jahr 1883 zum 400. Geburtsjubiläum Luthers pflanzte der aus der Oberlausitz stammende Theologe und spätere Prof. Dr. Martin Rade, er hatte damals in Schönbach bei Löbau seine erste Pfarrstelle inne, unmittelbar südlich vor der Dorfkirche auf dem Kirchhof eine LUTHER-ULME.

Pfarrer Rades Baum sollte keine Luther-Linde und erst recht keine Luther-Eiche sein. Eichen pflanzte man damals in der Kaiserzeit vielerorts bei Jubiläen, davon wollte er sich offensichtlich abheben.

Die mächtige Krone der Ulme mit den grünen Blättern war imponierend vor dem damals gelben Kirchendach, so schrieb es mein Großvater, Gerhard Rechenberg, Pfarrer zu Schönbach (1930-1971). Der Baum gedieh prächtig und hatte nach 63 Jahren einen stattlichen Stammdurchmesser von über einem Meter. Leider wurde er nicht älter - und das ist das Besondere dieser Luther-Ulme. 1946 starb der Schönbacher Lutherbaum an der sogenannten Ulmenkrankheit. „Als das Gedenken des 400. Todestages Luthers kam, ging die Luther-Ulme ein und hatte 1946 keine Blätter mehr.“ Dieser Baum stand also genau nur die Lebenszeit Luthers an seinem Ort. Das mag einmalig sein unter all den Lutherbäumen!

Schon 1946 ließ mein Großvater den abgestorbenen Baum fällen. Der Stamm und die stärkeren Äste kamen in das Sägewerk Arthur Michold nach Oppach. Dort wurde das Stammholz auf dem damals schon historischen Horizontalsägegatter zu starken Bohlen geschnitten. Die Bohlen der Luther-Ulme trockneten vorbildlich aufgestapelt einige Jahre in der Schönbacher Pfarrscheune.

Im Herbst 1946 pflanzte die Kirchgemeinde eine Weißbuche, die gegen die Ulmenkrankheit resistent ist. Dieser Lutherbaum ist heute nach 71 Jahren ebenso mächtig und das Ortsbild bestimmend wie sein Vorgänger. Der schlichte Gedenkstein trägt noch immer die Inschrift: „Lutherfeier 1883“.

Was sollte nun aus dem Holz der Luther-Ulme hergestellt werden? Das Holz der Ulme nennt man Rüster, es ist hell und hat eine sehr schöne Maserung.

In den Kirchen waren damals zum Kollektesammeln noch Klingelbeutel in Gebrauch, diese wurden aus schwarzem Samt hergestellt, in der Zeit des Mangels nach dem Krieg gab es diesen nicht. Und so kam die Idee auf, aus dem Luther-Rüster-Holz könne man doch Sammelbüchsen herstellen. Der damalige Schönbacher Tischlermeister Gerhard Starke (Heute: „Möbel-Starke“) fertigte diese Kollektenbüchsen. Für den oberen Rand hat der Holzbildhauer Wollschläger, der damals im Ort zur Sommerfrische weilte, den Entwurf für die Gestaltung der biblischen Inschrift: „OPFERE GOTT DANK PS:50.14“ angefertigt. Die Schnitzerin Annemarie Wetterling hat dann das Bibelwort ins Holz geschnitten.

Diese Kollektenbüchsen wurden auch von den Kirchgemeinden Ponickau und Linz bei Ortrand, in denen damals mein Vater Johannes Rechenberg Pfarrer war, angeschafft. Ebenso bestellte der Patensohn meines Großvaters, Pfarrer Peter Rietzsch für die Kirchgemeinde Großschirma bei Freiberg diese besonderen Sammelbüchsen. Auch der Vorgänger meines Vaters im Ponickauer Pfarramt, Pfarrer Gerhard Gretzschel, fand die neuen Kollektenbüchsen genial und bestellte sie in Schönbach für die Kirchgemeinde Dresden - Bad Weißer Hirsch. In all den genannten Kirchgemeinden sind diese Sammelbüchsen noch in Gebrauch. Vielleicht wissen viele nicht um deren besondere Geschichte?

Aus den großen Stammbrettern der Ulme wurde für die Schönbacher Orgel die Orgelbank gebaut.

Einzelne Bretter hat die Kirchgemeinde verkauft. Für mein Tischlergesellenstück, einen Schreibtisch, konnte ich auch so eine geschichtsträchtige Stammbohle der Luther-Ulme erwerben.

Noch heute staune ich, wenn ich am Schreibtisch sitze und über die Schönheit und die Geschichte dieser Schreibtischplatte nachdenke. Schon vor fast 60 Jahren hatte mein Vater für das Amtszimmer im Ponickauer Pfarrhaus von dem bereits erwähnten Tischlermeister in Schönbach seinen selbst entworfenen Schreibtisch mit solch einer heimatlichen Luther-Rüster-Platte bauen lassen.

Oktober 2017

Christoph Rechenberg, Pfarrer der St.-Bartholomäus Kirchgemeinde Röhrsdorf bei Meißen