Wenn Steine erzählen

Man könnte meinen, das gibt ́s doch gar nicht, aber so etwas erlebt man immer wieder. Manchmal geben Steine einen Anstoß oder liegen einfach im Weg. Unter dem Fußbo-den im Fundament des ehemaligen barocken Altars (1760) in der Soraer Kirche. Dort kam ein behauener, farbig gefasster, Sandstein zu Tage. Gleich vorweg, er verbleibt als Zeitzeuge an der Stelle, wo er gefunden wurde und verschwindet wieder unter dem neuen Fußboden. Ein Sandstein mit Farbschichten, was kann der schon erzählen. Ja, die Untersuchung der Restauratorin Ute Schreiber hat ergeben, dass über einer ersten rötlichen Farbschicht eine Brandschicht zum Vorschein kam. Es hat also mal gebrannt in der Kirche in Sora. Die große Geschichte erzählt uns dann, dass dieser Brand 1429 gewesen ist, als die Hussiten hier alles verwüsteten und niederbrannten. Auch die Kirche von Taubenheim wurde damals ein Raub der Flammen. Diese Brandschicht fanden die Archäologen auch an den uralten Kirchenfundamenten und bei den Ausgrabungen im Fußboden. Die verkohlten Fußbodenbalken und die ursprünglichen Dielenbretter ha-ben sich noch deutlich sichtbar nachweisen lassen. Was Krieg und Zerstörung bedeuten, erzählen diese Spuren, erzählen alte Steine.

Der Grabstein von 1813 vor der Kirchentür berichtet uns vom gewaltsamen Tod eines Mannes aus Lotzen, den ein Italiener erschossen hat, „weil er kein Brot mehr geben konnte“ – so liest man es im Kirchenbuch. Denn vorher waren schon die Kroaten hier und hatten alles, was essbar ist, mitgenommen. Die Kriege der Napoleonzeit erschütterten ganz Europa von Moskau bis Paris und dazwischen all unsere kleinen Dörfer im Meißner Land auch.Dann fast 500 Jahre nach der Zerstörung durch die Hussiten sind es wiederum Spuren der Zerstörung, die von Steinen erzählt werden.Am 6. Mai 1945 wurde die Kirche von Sora durch russische Kampfverbände stark beschädigt, ja zerstört. Man konnte die Kirche über drei Jahre lang nicht mehr benutzen. Was nicht zerschossen worden ist, wie der Turm, die Glocken, das Kirchendach, die Fenster und Baken, das wurde in der Folge noch mit den Füßen umgestoßen (Taufstein) oder mit dem Bajonett zerschlitzt (Altarbild). Ein Bild der Zerstörung muss die Kirche damals geboten haben. Der furchtbare Krieg war bis in unsere Dorfer zurückgekehrt. Ein wiederentdecktes Soldatengrab erinnert noch an den 18-jährigen Gefallenen Josef Hövels (6. Mai 1945).

Steine erzählen. Im Altarblock von 1948 hat man Reste des Taufsteins eingemauert. Wir haben sie unversehrt geborgen. Von der Taufschale fehlt jede Spur. Diese Teile des Taufsteins von 1874 sollten uns, die wir sie einst wieder finden würden, erinnern und mahnen. Sie sollten nicht verloren gehen. Die Erinnerung sollte bewahrt werden, ob-wohl sie eingemauert und unsichtbar waren.Nach dem letzten Weltkrieg wollten die Menschen, dass so etwas nie wieder geschieht. So entstanden die bis heute Frieden bewahrenden, weltweiten Institutionen und Ver-bände.Auf Seiten der Christenheit ist es der Ökumenische Weltrat der Kirchen (ÖRK), in dem auch die katholische Kirche mit Gastrecht vertreten ist. Das war etwas völlig Neues. Die Christen wollten helfen, dass es nie wieder zu Krieg kommen soll. Es entstanden die UNO, der Welt-Sicherheitsrat und viele andere große und kleine Bewegungen, die Versöhnung 3 und Bewahrung des Friedens zum Ziel hatten. Und es entstand die Europäische Union, die heute fast ganz Mitteleuropa verbindet.Die Europäische Union wurde begründet, um den Frieden in Europa zu bewahren. Die Europäische Union wurde nicht ins Leben gerufen, um möglichst großen Wohlstand zu gewährleisten. Freilich hat sie vielen Menschen Wohlstand gebracht, aber ohne Frieden wäre das alles beendet. So eine große Institution krankt an vielen Stellen, aber die Pro-bleme, die sich immer wieder stellen, lassen sich mit gutem Willen und klarem Men-schenverstand mittelfristig lösen. Eine mühsame Problemlösung, bei der auch nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen, ist aber auf alle Fälle besser als Krieg.Während ich diese Zeilen schreibe, werden Frieden bewahrende Abrüstungsverträge in Frage gestellt. Gott spricht: „Suche Frieden und jage ihm nach!“ Psalm 34,15. So lautet die Jahreslosung 2019. Umso wichtiger ist es, dass wir die Friedensbotschaft aus der Bibel hören und verkündigen. Die Weihnachtsbotschaft stellt uns alle Jahre wieder vor Augen, was Gottes Wille für uns Menschen ist. „Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“, so verkünden es die Engel auf den Feldern von Bethlehem den Hirten. Es wird sich alles daran ent-scheiden, ob wir es schaffen den Frieden zu bewahren und dorthin Frieden zubringen wo Krieg ist. Nur im Frieden kann man die Probleme Welt lösen. Dazu ist Jesus Mensch geworden, damit wir im Angesicht des Nächsten unsere Schwester und unseren Bru-der erkennen. Die Botschaft von der Liebe Gottes haben die Menschen vor 2000 Jahren nicht ausgehalten. Die Botschaft von der Liebe Gottes gilt bis heute allen Menschen, das ist der Grund aller Weihnachtsfreude.

Ihr Pfarrer Christoph Rechenberg